Die Geschichte
Wulsdorfer Buernhus
Wohl allen älteren Wulsdorfern ist es bekannt als Ehlerssches Bauernhaus, Bremer Straße 15. Der eindrucksvolle Fachwerkbau mit den beiden mächtigen Kastanien vor der Grootdöör war mit einer Reihe anderer Reetdachhäuser des 18. Jahrhunderts noch bis vor wenigen Jahrzehnten eine Zierde der einst bäuerlichen Siedlung rund um die mittelalterliche Dionysiuskirche.
Nach und nach änderte sich das dörfliche Bild. Durch Abbruch, Umbau oder Brand verschwanden viele alte Gebäude und bis auf wenige Ausnehmen auch die Reetdächer. Dem Ehlersschen Haus drohte ebenfalls das Schicksal des Abbruchs. Nachdem die letzten Besitzer es 1973 an die Stadt Bremerhaven verkauft hatten, wurde von dort die Erhaltungswürdigkeit geprüft und befunden, daß nur die Spitzhacke in Frage käme.
Die Bürgergemeinschaft Wulsdorf, unter ihrem tatkräftigen Vorsitzenden Hero Warrings, wollte sich jedoch mit dieser Entscheidung nicht abfinden. Ihr Plan, das Haus zu einer Begegnungsstätte der Bürger Walsdorfs auszubauen, ließ sie nicht ruhen. Dank ihres nimmermüden Einsatzes wurde dann mit finanzieller Hilfe der Stadt Bremerhaven im Jahre 1975 ihr Vorhaben verwirklicht und das Gebäude am 3. September 1975 als Wulsdorfer Buernhus seiner Bestimmung feierlich übergeben. Beim Umbau hatte man aus Rücksicht auf die vorhandene Bausubstanz die Einrichtung das Hauses soweit als möglich dem ursprünglichen Zustand angepasst.
Entfernt werden musste leider der Stolz jedes alten Bauernhauses: der Holm über der Grootdöör. Stark verwittert und vom Wurm zerfressen, war die auf ihm eingekerbte Schrift in Großbuchstaben
BIS HIER HAT DER HERR GEHOLFEN - ER WIRD WEITER HELFEN.
ANNO 1780
kaum mehr lesbar. Vor genau 200 Jahren also ist dieses Haus am nördlichen Dorfausgang des breiten Landweges von Lehe und Geestendorf nach Stotel errichtet worden.
Vor dem Haus, dessen Fundamente heute als Feldsteinmauer den Bau zieren, stand eine Dwarsscheune, die allerdings in den 30er Jahren unseres Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgerissen wurde. Daneben hatte man einen Ziehbrunnen angelegt, dessen Umrisse durch Versackung des Pflasters noch bis 1975 zu erkennen waren. Vermutlich hat auf demselben Hofplatz, auf dem 1780 dieses große dreischiffige Hallenhaus entstand, schon vorher einmal ein ähnliches Bauernhaus gestanden.
Am 2. Ostertag des Jahres 1747, am 2. April, waren nämlich in Wulsdorf 38 Gebäude, darunter 22 Wohnhäuser, abgebrannt. Die Feuersbrunst hatte östlich der Kirche (heute Bremer Straße 33) ihren Anfang genommen und sich besonders nach Norden und Nordwesten ausgeweitet. Im Erdreich fanden sich auf dem Grundstück des jetzigen Wulsdorfer Bauernhauses zahlreiche Brandschichten mit Scherben aus der Zeit vor 1747.
Nach diesem großen Brand, dem ein Viertel aller Häuser des Ortes zum Opfer gefallen waren, begingen die Wulsdorfer jahrzehntelang zu Ostern einen sogenannten Brand- und Lobetag. Ihre Bauernhäuser bauten sie zumeist bald wieder auf. Nur dieser Hofplatz blieb vorerst unbebaut.
Die Karte der kurhannoverschen Landesaufnahme von 1768 zeigt diesen Sachverhalt deutlich. Der Nachbarhof Allers (Bremer Straße 17) ist dort verzeichnet; dagegen weist das Grundstück Bremer Straße 15 keine Bebauung auf. Wahrscheinlich wird hier der Besitzer des abgebrannten Hofes eine weitere Hofstelle besessen haben, auf der er wirtschaftete. Oder es mag sein, dass wegen Aussterbens der Familie das Anwesen durch Erbschaft an einen anderen Hof gefallen ist. Geklärt werden konnte bislang nicht eindeutig, wer sich auf demselben wüsten Hofplatz 1780 das neue große Bauernhaus hat erbauen lassen.
Fest steht, dass es noch vor 1900 in den Besitz der Familie Ehlers, nämlich von Hinrich Ehlers dem Jüngeren (geb. 16. 5. 1850 / gest. 14. 11. 1920) kam. Zuvor hatte es der Familie Beneken gehört. Johann Beneken (geb. 2. 4. 1835) hatte Hinrich Ehlers, dessen Mutter Catharina geb. Beneken die Tante das Johann Beneken war, als Großknecht auf seinem Hof.
Als Johann Beneken, der im Streit einen Mann niedergeschlagen hatte, sich auf einem Segelschiff nach Amerika absetzte, erklärte er Hinrich Ehlers zum Verwalter und Erben des Hofes. Von Johann Beneken, der bei seiner Flucht unverheiratet war, hat man später nie wieder etwas gehört.
Johann Benekens Bruder Claus der Jüngere (geb. 18. 1. 1841) hatte keinen Anspruch auf das Erbe angemeldet. In der Familie Beneken weiß man noch heute zu erzählen, wie dessen Nachkommen, die bald nach 1900 Ansprüche gelten machen wollten, mit dem Hinweis auf das neue Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) verdeutlicht wurde, daß dafür die Frist längst verstrichen war.
Der Vater von Johann und Claus Beneken d. J. war Claus Beneken der Mittlere (geb. 4. 6. 1802), Sohn des Johann Nicolaus Beneken und seiner Frau Semme Allers. In 2. Ehe mit Nancke Klee hat Johann Nicolaus Beneken die Tochter Cathatina, Halbschwester von Claus Beneken d. M., mit Hinrich Ehlers dem Älteren verheiratet, aus deren Ehe dann Hinrich Ehlers d. J. stammte. Claus Beneken d. M., der zunächst Gastwirt und Baukötner war, heiratete am 3. 3. 1830 Gesche Janzen, die Tochter des Dorfmusikanten Cord Janzen.
Später übernahm dieser Claus Beneken d. M. den Hof seines Vaters (Bremer Straße 15) und wurde folglich dann als Hausmann bezeichnet. Sein Vater Johann Nicolaus, von dem wahrscheinlich auch die drei Truhen stammten, die früher im jetzigen Wulsdorfer Buernhus standen und leider verschollen sind, hat diesen Hof seit seiner Eheschließung mit Semme Allers, Tochter des Hausmanns oder "Erbexen" (Vollhöfners) Otto Auers, am 18. 5. 1797 besessen.
Fraglich ist allerdings, ob er ihn nun von seinem Schwiegervater Otto Allers oder von seinem Vater Claus Beneken dem Älteren, der am 19. 2. 1765 Ann Catrin Auers aus Vierhöfen (Geestendorf) geheiratet hatte, erhielt.
Wenn es noch heute in der Familie Beneken heißt: "Dat Wulsdorfer Buernhus hefft use boot", so kann dieses aber auch auf die Eltern von Semme Allers zutreffen. Dafür spricht, dass der erst 1973 abgebrannte Nachbarhof Allers in der Bremer Straße 17 direkt an das Grundstück grenzt. Hinzu kommt, daß Otto Allers ein vermögender Mann war. Doch auch die Familie Beneken zählte zu den alteingesessenen Wulsdorfer Hausmannsgeschlechtern.
Wie dem auch sei - das alte Haus steht in neuem Glanz, ein Zeugnis der Baukultur unserer Heimat im 18. Jahrhundert, getreu dem Wort: "Die Tiet vergeiht - dat gode Wark besteiht ".